Die Fehmarnsund-Brücke
Fehmarnsund-Brücke
1959 war es dann soweit.
Aus einer Fülle von Entwürfen entschied sich das Preisgericht in einem öffentlichen Wettbewerb für eine Hochbrücke über den Fehmarnsund.
Ausschreiber und Bauherr waren die Deutsche Bundesbahn und die Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch die Bundesbahndirektion Hamburg (federführend) und das Landesamt für Straßenbau in Kiel.
Die Brücke war Teil des Projektes "Vogelfluglinie" zwi-schen Oldenburg/Holst. und Rödbyhafen auf der dänischen Insel Lolland. Um den Seeweg von 69 km (Großenbrode-Gedser) auf 18 km (Fehmarn-Belt) zu verkürzen, wurde es erforderlich, den Fährhafen an die Nordküste der Insel Fehmarn nach Puttgarden zu verlegen. Für die bis dorthin zu führende Eisenbahnlinie Hamburg-Dänemark und die sie begleitende Europastraße 4 wurde eine landfeste Verbindung über den 1,3 km langen Fehmarnsund notwendig. Der zur Ausführung gelangende Entwurf sah eine Einengung des Sundes durch Dammschüttungen vor, so dass für einen Brückenzug eine Gesamtlänge von 963,40 m verblieb. Diese Distanz wurde durch einen zwei- und einen fünffeldrigen Durchlaufträger, die sog. Nebentragwerke, und einem den Schiffahrtsweg weithin betonenden Bogentragwerk überspannt.Mit der Beratung des Architekten Dr. Ing. Gerhard Lohmer wurde die Stahlkonstruktion des Bogentragwerkes von der Gutehoffnungshütte Sterkrade AG, Oberhausen-Sterkrade, unter Chefkonstrukteur Dipl.-Ing. Helmut Wild nach eigenem Entwurf berechnet, gefertigt und montiert. Aufgabe der Brücke ist es, die eingleisige Bahnlinie und die Bundesstraße E 4 zu tragen. Wegen der schwierigen Einfädelung der unterschiedlichen Trassen war es nicht möglich, eine symmetrische Lösung mit mittig liegendem Bahngleis zu verwirklichen. Die durch das einseitig liegende Bahngleis bei dem oben beschriebenen Verkehr ungleich wirkende Belastung führt zu Beanspruchungen und Verformungen der Brücke, die bahnseitig größer werden als auf der Straßenseite. Es lag daher nahe, eine Konstruktion zu wählen, die einen Ausgleich der Verformungen und Spannungen bewirkt. Günstig hierfür erwies sich der sog. "Korbhenkelbogen", d.h. zwei gegeneinander geneigte, sich im Scheitel tangierende Parabelbögen. Im Gegensatz zu anderen Eisenbahnbrücken mit ähnlichen Stützweiten, die jedoch stets Fachwerkbögen mit großer Bauhöhe (>= 1/20 der Stützweite) für die erforderliche Steifigkeit benötigen, wurde bei der Fehmarnsundbrücke erstmalig ein anderer Weg zur Erhöhung der Steifigkeit gewählt. Um die elegante Form der entworfenen Brücke nicht durch traditionelle statische Verfahren zu vergröbern, ist das bisher übliche Verfahren, Fahrbahnen durch senkrechte Stabstähle an die Bögen zu hängen, aufgegeben worden und hier zum ersten Mal die Hängen in Form eines gekreuzten Rautenfachwerkes angeordnet. Die zweifach im Raum geneigten Diagonalen bestehen dann auch nicht aus Stabstahl, sondern einerseits, wegen der Biegemomente aus dem Eigengewicht, aber auch andererseits, um durch optisch zurückhaltende Querschnitte die Ästhetik des Bogens nicht zu beeinträchtigen, aus patentverschlossenem Drahtseil.Hohlkastenbögen, Rautenfachwerk und die als Zugband bewirkende Fahrbahn ergeben zusammen ein in sich stabiles Raumtragwerk, das mit 248,40 m Spannweite und rund 43 m Scheitelhöhe des Bogens die Schiffahrtsrinne in einer Höhe von 23 m überspannt. Die als Doppelkastenplattenbalken ausgebildeten Nebentragwerke erreichen jeweils Stützweiten von 102 m.Außer der Gutehoffnungshütte AG waren u.a. folgende Firmen am Bau beteiligt: Die Flenderwerke AG aus Lübeck lieferte einen Teil der Fahrbahnplatten, die patentverschlossenen Seile stellten die Firmen Felten und Guilleaume aus Köln-Mülheim und HOAG-Werke aus Gelsenkirchen her. Sämtliche Lager führte die Maschinenfabrik Esslingen aus.Nachdem bei einer Probebelastung durch zehn Lokomotiven im Gesamtgewicht von 1600 t selbst bei einer Schnellfahrt keine unangenehmen Schwingungen registriert wurden, konnte am 14. Mai 1963 der Abschnitt der Vogelfluglinie zwischen Oldenburg und Rödbyhafen dem Verkehr übergeben werden.Bogenkonstruktion der Brücke im Bau.Die Fehmarnsundbrücke mit Blick auf die Insel Fehmarn.Bogenwerk der Fehmarnsundbrücke: Ansicht und Querschnitt.Die nach ihrer Inbetriebnahme durch die nationale und internationale Presse emphatisch als Weltneuheit im Brückenbau gefeierte Hochbrücke, deren Bogentragwerk als technische Sensation angesehen wurde, ist längst zu einem Wahrzeichen von Schleswig-Holstein geworden. Im Herbst 1998, 35 Jahre nach ihrer Fertigstellung, ist das Denkmalschutzverfahren durch das Landesamt für Denkmalpflege eingeleitet worden. Wegen der besonderen technikgeschichtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen und kulturlandschaftprägenden Bedeutung liegt die Erhaltung der Fehmarnsundbrücke im öffentlichen Interesse.
Quelle: Peter Schafft, aus: DenkMal Schleswig-Holstein - Zeitschrift zur Denkmalpflege in Schleswig-Holstein - Jahrgang 6 - 1999, Seite 88 ff.verantwortl. für die Information: Peter Schafft, Dezernent im Landesamt für Denkmalpflege a.D.; Wehrbergallee 34, 24211 Schellhorn.
Geschichte der Vogelfluglinie
Mit dem Bau der Brücke erfüllte sich ein lange gehegter Wunsch der Verkehrsplaner, die Insel Fehmarn mit dem Festland zu verbinden. Allerdings war nicht ein landfester Anschluss der Insel ihr Hauptanliegen, sondern ein schnellerer Weg nach Skandinavien. Bereits 1866 erhielt der Glückstädter Zivilingenieur Gustav Kröhnke eine Konzession des Königreichs Dänemark für den Plan, den Fehmarn-Belt mit einer Fähre zu überqueren und über den Fehmarnsund einen Damm zu bauen, um damit eine Anschlussstrecke nach Lübeck und Hamburg zu erreichen. Kröhnke dachte dabei in erster Linie an eine Bahnverbindung von Dänemark auf das Festland. Als günstigste Streckenführung erschien ihm der Flugkorridor skandinavischer Zugvögel, die nach ihrem Flug über die Ostsee auf der Insel Fehmarn zum ersten Mal wieder das Festland erreichen und hier Rast- und Futterplätze vorfinden. Der anfangs auch von deutscher Seite befürwortete Plan wurde jedoch bald fallengelassen, um die Ausrichtung des deutschen Eisenbahnwesens auf die Hauptstadt Berlin mit den von dort günstiger gelegenen Fährverbindungen über Warnemünde-Gedser und Saßnitz-Trelleborg voranzutreiben, die dann auch 1903 und 1909 eröffnet wurden.Die Hansestädte Hamburg und Lübeck verfolgten zwar weiter eine Verkehrsverbindung auf der "Vogelfluglinie", der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch deren Verwirklichung. Die hohe verkehrswirtschaftliche Bedeutung dieser Trasse blieb auch nach dem Krieg Gegenstand weiterer Planung, und 1922 beschloss der Preußische Landtag erstmalig den Bau einer Brücke über den Fehmarnsund. Voraus ging der Anschluss der Insel an das deutsche Eisenbahnnetz. Die schon in dänischer Zeit eröffnete Strecke von Neumünster nach Neustadt wurde 1881 bis Oldenburg verlängert und führte 1897 bis Heiligenhafen. 1903 wurde der Schienenstrang von Lütjenbrode über Großenbrode nach Großenbrode-Fähre eröffnet und über ein Trajekt nach Fehmarnsund mit dem 1905 fertiggestellten Inselbahnnetz Burgstaaken-Burg-Petersdorf-Ort verbunden. Von einer Weiterführung zu einem Fährhafen Puttgarden, Richtung Dänemark, war allerdings noch keine Rede. Diese Idee verfolgte man 1910 mit der Gründung eines deutsch-dänischen Komitees zur Herstellung einer Eisenbahnverbindung Hamburg-Lübeck-Fehmarn-Lolland-Kopenhagen. Treibende Kräfte in dieser Institution waren u.a. der Hamburger Reeder Albert Ballin und der Senator Possehl aus Lübeck. Diese Diagonalverbindung über Fehmarn nach Hamburg sollte Skandinavien an das südliche und südwestliche Europa anschließen. Es kam 1913 zu einem Staatsvertrag zwischen Preußen und Olden-burg/Oldbg., weil die als erstklassige Hauptbahn projektierte "Bäderbahn" von Bad Schwartau nach Neustadt durch das oldenburgische Fürstentum Lübeck geführt werden sollte. Der Erste Weltkrieg verhinderte dieses Vorhaben erst in den 1920er Jahren konnte der Plan realisiert werden. (1925 Bad Schwartau-Haffkrug, 1928 Haffkrug-Neustadt). Der bereits 1922 vom Preußischen Landtag beschlossene Brückenbau über den Fehmarnsund wurde jedoch erst unter nationalsozialistischer Führung in Angriff genommen.Im Kriegsjahr 1940 vollzogen die Reichsminister Dr. Dorpmüller und Dr. Todt den ersten Spatensich, begleitet vom üblichen Propagandarummel der damaligen Zeit. 1943 unterbrachen dann die Kriegsereignisse die Bauarbeiten, so dass die Sundfährschiffe zwischen Großenbrode und Fehmarnsund weiter die einzige Verbindung zur Insel blieben. Außerdem gab es eine etwa 69 km lange Fährverbindung von Großenbrode nach Gedser auf Falster.