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Gleichstellungsbeirat befasst sich mit der Rechtslage des Sexualstrafrechts

Autor/in: Die Gleichstellungsbeauftragten
Quelle: Kreis Ostholstein

Eutin. In seiner letzten Sitzung hat sich der Interkommunale Beirat für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Ostholstein (Gleichstellungsbeirat) einvernehmlich für eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechts ausgesprochen. Die Regelung „Nein heißt Nein“ muss Gültigkeit bekommen! Der Gleichstellungsbeirat hatte Mitarbeiterinnen des Notrufs Ostholstein und des Frauenhauses Ostholstein gebeten, über die Rechtslage zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu informieren. Aufgrund der Ereignisse in Köln und anderen Städten ist das Sexualstrafrecht wieder in der Diskussion. Viele Expertinnen wie RichterInnen, AnwältInnen und PolitikerInnen fordern ein Sexualstrafrecht, das auf fehlendes Einvernehmen abstellt, anstatt auf die Frage, ob Betroffene sich hätten wehren können und warum ihnen dies nicht gelungen ist. „Es ist höchste Zeit, dass nicht das Verhalten des Opfers für die Strafbarkeit eines sexuellen Übergriffs entscheidend ist, sondern allein das Verhalten des Täters. Wir brauchen ein Strafgesetz, das zu mehr Schutz und Gerechtigkeit führt“, betonen die Gleichstellungsbeauftragten des Kreises, Christine Ewers und Silke Meints.

 Im Gleichstellungsbeirat wurde weiter darüber informiert, dass zum Internationalen Frauentag am 8. März um 17 Uhr eine Demo am Justizministerium in Kiel stattfindet unter dem Motto NEIN heißt NEIN. Außerdem gibt es zurzeit eine Online-Petitionen zur Unterstützung dieser Forderungen, unter www.change.org/neinheisstnein. Der Gleichstellungsbeirat ruft dazu auf, die Petition zu unterzeichnen und zu verbreiten – für ein reformiertes Sexualstrafrecht für weibliche und männliche Opfer sexualisierter Gewalt.

 Bisher sind in Deutschland immer noch viele Fälle, in denen sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person ausgeübt werden, nicht strafbar. Das deutsche Strafrecht setzt unter anderem eine Gewaltanwendung oder eine Drohung voraus. Kurz gesagt: Es reicht nicht aus, wenn ein Opfer nur nein sagt. Die derzeitige Rechtslage weist also gravierende Schutzlücken auf.

Nach der aktuellen gesetzlichen Regelung ist das sexuelle Selbstbestimmungsrecht nur dann geschützt, wenn es aktiv verteidigt wird. So bleiben beispielsweise Vergewaltigungen, in denen der Täter keine Gewalt anwenden musste, weil die betroffene Frau keine körperliche Gegenwehr leistete, in der Regel straffrei. Nicht zuletzt wird deshalb nur ein Bruchteil der Taten der Polizei gemeldet und in weniger als zehn Prozent der angezeigten Fälle kommt es zu einer Verurteilung.

Weil diese Rechtslage auch internationalen Menschenrechtsverträgen widerspricht, wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Schutzlücken schließen soll. Der Gesetzentwurf geht aber nach wie vor davon aus, dass Betroffene sich im Normalfall körperlich zur Wehr setzen. Diese Grundannahme ist aber falsch. Gerade in Notsituationen gehören vielmehr Flucht, Erstarrung, Schock und andere zum Teil paradoxe Reaktionen zur Palette der spontanen menschlichen Reaktionen.

Im Gesetzentwurf wird eine Reihe von Ausnahmen formuliert, unter denen eine sexuelle Handlung auch dann strafbar ist, wenn Betroffene zur Gegenwehr nicht in der Lage waren. Sind die Tatmotive unklar, verbleibt ein Übergriff weiterhin systematisch straffrei. Es reicht aktuell für eine Bestrafung nicht aus, wenn ein Täter sich über ein klares Nein oder das Weinen einer Frau hinwegsetzt. „Neben einer Gegenwehr spielen auch überraschende Angriffe im neuen Gesetzentwurf eine große Rolle“, führen die Referentinnen weiter aus, „wenn zum Beispiel eine Frau in einer großen Menschenmenge plötzlich von einer anderen Person am Unterleib angefasst wird“. Nach der Neuregelung wird dieser Sachverhalt strafbar sein. Nicht aber, wenn mit sexualisierten Angriffen zu rechnen war.

Diese ganze Problematik sollte die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarates verbessern, die verlangt, dass jeder nicht einvernehmliche Geschlechtsverkehr unter Strafe gestellt werden soll. Bereits im Mai 2011 unterzeichneten viele EU-Staaten, darunter auch Deutschland, eine Selbstverpflichtung, um Frauen künftig besser vor Gewalt zu schützen. Bisher ist die Konvention von Deutschland nicht ratifiziert worden, das alte Gesetz behält seine Gültigkeit.